Wir erreichen Franziska Kampmann auf dem elterlichen Hof im Norden von Dortmund zwischen Lünen und Waltrop. Sie halten dort 50 Milchkühe samt Nachzucht, mästen Bullen und stellen Käse her. Eigentlich wäre die gelernte Landwirtin jetzt im Ruderzentrum in Berlin, um sich auf Weltcuprennen und Olympia vorzubereiten.
Doch am Dienstag, den 24.März, wurden die Olympischen Spiele in Tokio aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus in das Jahr 2021 verschoben. Wir sprachen mit der jungen Athletin und Agrarstudentin.
Wochenblatt: Franziska, du bist seit zwei Jahren Teil des deutschen Doppelvierers der Frauen und wärst vermutlich im Juli bei den Olympischen Spielen gestartet. Wie hast du die Entscheidung am Dienstag aufgenommen?
Kampmann: Als die Entscheidung fiel, war das ein ordentlicher Dämpfer. Trotz eines vollen Trainingsplans habe ich an dem Tag einfach nichts gemacht. Natürlich kann ich die Verschiebung aber nachvollziehen. Es ist zurzeit die richtige Entscheidung. Bei den Olympischen Spielen kommen so viele Menschen zusammen. Das kann gegenwärtig niemand verantworten.
Wochenblatt: Die Olympischen Spiele finden vermutlich im Sommer 2021 statt. Worauf hoffst du?
Kampmann: Ich hoffe, dass die Spiele relativ früh im Jahr 2021 stattfinden und dass ich mich nicht noch anderthalb Jahre auf dm Trainingsniveau halten muss. Denn das bisherige Training war darauf ausgelegt im Juli Höchstleistung zu zeigen. Jetzt den Hebel umzulegen und passend wieder hochzufahren, wird eine Herausforderung sein.
Wochenblatt: Wie sah deine Vorbereitung bis dato aus?
Kampmann: Das Training der vergangenen Monate und Wochen war auf die Weltcuprennen und die Olympischen Spiele zugeschnitten. Im vergangenen Oktober sind wir mit einem Trainingslager für die Ausdauer auf Lanzarote gestartet. Das bedeutete, mehrere Stunden am Tag auf dem Rennrad zu sitzen.
Darauf folgten vier Trainingslager in Spanien und Portugal mit intensiven Rudereinheiten. Hinzukam das tägliche Training. Im Vergleich zum Vorjahr zog das Pensum noch mal ordentlich an.
Wochenblatt: Du musst dein Trainingslevel mehr oder weniger halten. Wie schaffst du das, wenn deutschlandweit alle Sportstätten geschlossen sind?
Kampmann: Ich habe von meinem Heimatverein, dem Ruderverein Waltrop, ein Ergometer und ein paar Hantelstangen bekommen. Auf dem Hof haben wir genug Platz, um sie aufzubauen. Ich kann alles zu Hause machen, außer auf dem Wasser rudern. Meinen Trainingskolleginnen fällt das schwerer. Sie leben meist etwas beengter als ich.
Wochenblatt: Wie hältst du in dieser unklaren Lage die Motivation hoch?
Kampmann: Ich musste mich selbst wieder aus dem Loch holen. Am Tag der Verschiebung dachte ich: Eigentlich hast du kein Bock mehr. Kurz danach war mir aber klar: Du hast so viele Jahre durchgehalten. Daher soll mein Traum nicht daran scheitern, dass die Spiele um ein Jahr verschoben werden. Außerdem unterstützen mich meine Freunde und meine Familie.
Wochenblatt: Zurzeit bist du auf dem Hof deiner Eltern. Wie lenkst du dich ab? Wofür hast du jetzt Zeit?
Kampmann: Bis auf das tägliche Kraft- und Ausdauertraining beschäftige ich mich gerade nicht so viel mit dem Rudern. Ich kann meine Eltern jetzt unterstützen, nicht nur beim Melken. Sie haben keine Angestellten und schaffen sonst nur die täglichen Arbeiten. Jetzt ist jemand da, mit dem sie auch außer der Reihe etwas auf die Beine stellen können. Das hilft mir und ihnen.
Außerdem kann ich mit unseren Pferden ausreiten oder sie vor die Kutsche spannen. Auch für das Studium bleibt nun mehr Zeit. Leider kann ich mich nicht mit Freunden treffen. Das ist in den vergangenen Monaten zu kurz gekommen. Doch wegen der Kontaktsperre fällt das flach.
Wochenblatt: Der deutsche Doppelvierer der Frauen gehört seit Jahrzehnten zur Weltspitze. Du bist 22 Jahre und hättest bestimmt in vier Jahren erneut die Chance, um die olympischen Medaillen zu rudern?
Kampmann: Ich möchte nicht mehr vier Jahre auf diesem Niveau trainieren, um mich für die Spiele 2024 zu qualifizieren. Auf Dauer plane ich, zu Hause einzusteigen und meinen Eltern ein bisschen von der Zeit zurückzugeben, die ich in den vergangenen Jahren in den Rudersport investiert habe. Die Spiele in Tokio wären der Höhepunkt und ein schöner Abschluss meiner Ruderkarriere auf Topniveau.
Wochenblatt: Im Vorfeld der Spiele 2021 stehen wieder Qualifikation- und Weltcuprennen an. Wie schätzt du deine Chancen ein, im nächsten Jahr dabei zu sein?
Kampmann: Es wird ein Drahtseilakt. Wie viel muss ich trainieren, um fit zu bleiben? Wie viel darf ich trainieren, um in einem Jahr nicht übertrainiert zu sein? Da muss ich den Trainern vertrauen, dass sie mir die richtigen Pläne und Tipps geben.
Aber wenn ich am Ball bleibe, dann bin ich guter Dinge, dass ich mir den Traum erfüllen kann. Die Olympischen Spiele haben ein anderes Format als Welt- oder Europameisterschaften. Da kommt wirklich etwas Großes auf einen zu und diese Chance möchte ich mir nicht nehmen lassen.
Gelernte Landwirtin
Seit über zehn Jahren rudert Franziska Kampmann. Dabei konnte sie schon ein paar internationale Erfolge im Doppelvierer verbuchen: 2015 gehörte sie zum Siegerteam bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Rio. 2018 gewann sie im Doppelvierer zwei Rennen des Weltcups und 2019 die Europameisterschaft. Wenn die gelernte Landwirtin nicht rudert, studiert sie in Soest Agrarwirtschaft. Auch ihre drei Schwestern sind im Rudersport aktiv.